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Interview mit einer Lehrerin aus der 2. Klasse


Hallo Frau Kramer. Wir haben uns letztes Jahr während unserer Testphase mit den Tabletspielen kennen gerlernt, als Sie noch in der 2. Klasse unterrichteten. Ich erinner mich sehr gut an den ersten Termin, weil Sie sich gewünscht hatten, dass der Komputer erkennen kann, wenn ein Kind Probleme mit Lesen hat. Ich habe mir dabei eine Art Spracherkennungsmethode vorgestellt. Der Komputer hört zu, wie ein Kind vorliest und kann erkennen, wenn es Probleme mit einem Wort hat, oder zögert beim Lesen. Der Komputer könnte dann hilfreich sein, und ein Wort vorlesen oder eine Bedeutung erklären. Im Englischen gibt es tatsächlich Ansäzte für solch eine Anwendung. Aber für Deutsch kenne ich niemanden, der an so etwas arbeitet. Wir sammeln dieses Jahr in einem anderen Projekt tatsächlich Daten, um ein solche System für Englisch Lerner in den Schulen zu bauen. (Falls jemand interesse hat, ein solches System ab der 5. Klasse einzusetzen, suchen wir noch Schulen).

Für unsere Zwecke gibt es das aber noch nicht.

Allerdings, muss ich sagen, dass wir jetzt mit dem Eyetracker eigentlich schon sehr nahe daran sein können! Zwar läuft das ohne Spracherkennung (könnte man ja noch einbauen) sondern nur über den Eyetracker, aber der Komputer könnte in der Tat merken, wenn ein Kind Probleme hat. Jetzt müsste man nur schnell ein bischen Programmieren, sodass der Komputer dem Kind sogar helfen kann. Technisch machbar wäre es. Jedenfalls spukt mir das seit der ersten Begegnung im Kopf herum. Aber jetzt wollen unserer Leser sicherlich mehr über Ihre Erfahrungen im Projekt mit uns hören.


Kay: Erzählen sie den Lesern etwas über sich.

Frau Kramer: Mein Name ist Karin Kramer. Ich bin verheiratet, Mutter von 3 Kindern (22, 20, 16) und arbeite als Grundschullehrerin in einer 3. Klasse. Mich begeistert, Kinder über mehrere Jahre lang intensiv begleiten zu dürfen. An unserer Schule und in meiner Klasse lernen Kinder vieler Nationalitäten und Gesellschaftsschichten zusammen. Das finde ich toll und spannend, weil für sie Hautfarbe, Herkunft und Muttersprache keine Rolle spielt.


Kay: Wie sind sie zum iRead Projekt gekommen?

Frau Kramer: Das iRead Projekt ist gewissermaßen zu uns gekommen. Unser Rektor wurde angesprochen und hat das Projekt in einer Konferenz vorstellen lassen.


Kay: Sie waren unsere härteste Kritikerin im Einführungsworkshop. Warum haben Sie trotzdem mit gemacht?

Frau Kramer: Ich weiß, dass ich eher technikkritisch eingestellt bin und wollte mir eine differenzierte Meinung ergänzend zu meinem Ersteindruck bilden. Das Grundanliegen von iRead, Kinder in ihrer Lesekompetenz zu fördern, finde ich wichtig und sehr sinnvoll. Deswegen habe ich es unterstützt.


Kay: Was waren und sind Ihre Bedenken bei der Arbeit mit iRead?

Frau Kramer: Beim Einführungsworkshop fand ich zunächst die graphische Aufbereitung wenig ansprechend, vom Lerngegenstand ablenkend und kompliziert im Ablauf, da die präsentierte Übung immer wieder von vorne begonnen werden musste. Zum Einprägen richtiger Rechtschreibung finde ich u.a. den graphomotorischen Aspekt beim Schreiben sehr wichtig. Dieser entfällt am Tablet.

Ich beobachte mit sehr gemischten Gefühlen den enormen Reiz und Einfluss digitaler Medien in unser aller Leben. Kinder, Jugendliche und Erwachsene verbringen immer mehr Zeit davor. Dabei stellen sich aus meiner Sicht wenig Lernfortschritt, aber viel Suchtpotenzial, Manipulation, sozialer Rückzug bis hin zu Haltungsschäden und Fettleibigkeit ein, um nur einige Nachteile zu nennen. Deshalb möchte ich diese Medien so wenig wie nötig in der Grundschule nutzen.


Kay: Was hat sie besonders überrascht im Projekt?

Frau Kramer: Die Schnelligkeit und Vollständigkeit, mit der die Kinder die Elternrückmeldezettel zurückgebracht haben. Ich brauchte nur zu sagen, dass sie sonst nicht ans Tablet dürften. Ansonsten -ehrlich gesagt- bisher wenig. Das mag aber auch darin liegen, dass ich mich in die Materie nicht sehr vertieft habe.


Kay: Wie hat sich die Vorstudie für Sie und die Kinder gestaltet?

Frau Kramer: Ich habe einige Doppelstunden für die Vorstudie, die 3 Tests sowie den Eyetracker zur Verfügung gestellt. In der Zeit konnte ich keinen normalen Unterricht machen, da alle paar Minuten ein Kommen und Gehen war. Wir haben Aufräum- und Ablagearbeiten sowie künstlerische Aufgaben erledigt. Einige Kinder, die in der 1. Runde wegen Zeitmangels noch nicht drankommen konnten, brachen in Tränen aus. Das hat mir gezeigt, welche große Bedeutung „Medienzeit“ für sie hat, auch wenn sie gar nicht genau wussten, was sie erwartet. Als sie nach der Arbeitsphase am Tablet wieder den Klassenraum betraten, äußerten sich einige enttäuscht über die Kürze der Zeit am Gerät.


Kay: Was würden Sie Lehrkräften sagen, die gerne mitmachen möchten?

Frau Kramer: Die Kinder fanden es sehr motivierend an Tablets zu dürfen. Einen Lernfortschritt, besonders bei den schwachen Deutschschülern, konnte ich leider nicht feststellen. Dafür waren die Sequenzen wohl zu kurz oder das Medium hilft ihnen so nicht wirklich weiter.


Kay: Wie geht es nächstes Jahr weiter?

Frau Kramer: Wir hatten einen Tabletführerschein angedacht, aber konkrete Terminabsprachen gibt es noch nicht. Sollte ich das Projekt im Unterricht fortführen, dann bräuchte ich selbst erst einmal eine intensive Einführung sowohl in Hard- als auch in Software.


Kay: Ich möchte gerne noch etwas zu den Lernfortschritten sagen. Wir waren vier Mal zu Besuch. Es ging uns primär darum, zu sehen, ob die Kinder verstehen, wie man mit den Spielen umgeht. Die gesamte Spielzeit über vier Wochen hinweg betraf 4-6 Minuten je nach Kind. Obwohl das gar keinen Unterschied machen konnte, haben wir die orthographische Fähigkeit, die im Spiel trainiert wurde, vor und nach der Intervention getestet. Erstaunlicherweise hatte selbst die kurze Zeit einen positiven Kurzzeit Effekt auf etwa die Hälfte der Kinder, womit ich nicht gerechnet hatte. Es ist aber tatsächlich so, dass der Effekt in einem dritten Test nicht nachhaltig war. Wir haben mit einigen 1. Klassen an 2 verschiedenen Schulen gearbeitet, bei denen der Effekt definitiv signifikant war. Das hat mich selber überrascht und stellt einige neue Forschungsfragen auf. Es könnte auch sein, dass diese Ergebnisse bestätigen, dass man kurze und lange Vokale in der ersten Klasse behandeln sollte und vor allem auch kann, ohne die Kinder zu überfordern. Im Gegenteil, sie brauchen das Wissen vermutlich so früh wie möglich, um gute Leser*innen zu werden. Die Ergebnisse werden auf einer Konferenz in Barcelona im Oktober vorgestellt, falls jemand diese Veröffentlichung lesen will, steht sie zur Verfügung.

Wie die Tablets dieses Jahr im Unterricht eingesetzt werden, bestimmt alleine die Lehrkraft, sodass die Integration hoffentlich einfacher ist. Auch die Kinder werden sich auf Dauer an das Medium im normalen Alltag gewöhnen, so hoffe ich stark.


Jetzt freuen wir uns auf dieses kommende Schuljahr. Jetzt gibt es eine Lehrer*innen Übersicht über den Fortschritt der Klasse. Die Spiele können selber ausgewählt und den Kindern auf ihre persönlichen Login-Konten zugewiesen werden. Die Idee wäre, dass die Tablets in der Freiarbeit als mögliche Alternative zur Verfügung stehen. Alles was man braucht ist WLAN im Klassenzimmer und die Elternerlaubnis.






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